Gegenseitig Gast, 2019
Christiana Protto mit Max Weinberg

Ausstellungsraum Eulengasse
Frankfurt am Main




In der Aussstellung "Gegenseitig Gast" begegnen sich zwei authentische kosmopolitische Künstler, die das Interesse am Austausch zwischen Orient und Okzident verbindet. Außerdem fließen die direkten und indirekten Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung sowie Vernichtung in ihr Werk ein, gekoppelt an das Bestreben, gegen kollektives Vergessen und historische Wiederholung von Gewalt und Verbrechen künstlerisch vorzugehen. So ist ihre Kunst ab dem Punkt, wo sie in die Öffentlichkeit geht, gesellschaftlich relevante Kunst und damit immer politisch, weil ihre Freiheit politisch ist.
Aber man sollte bei kosmopolitischer Moderne nicht nur an Diaspora und Exil denken, sondern auch an bewusst gewählte Affinitäten. Beide Künstler sind auf der Suche nach dem mentalen Feld des metaphysischen Schwarz, nach dem, was Pierre Soulages "Outrenoir" , das jenseitige Schwarz nennt. Dabei bewegt jeden – auf seine Art – die malerische Intention, das Absolute der Farbe Schwarz und deren konnotativen Symbolgehalt zu brechen.









Auch gehen sie beide davon aus, dass Malerei ein Feld ist, in dem sich Formen und Muster organisieren und wieder auflösen.
Somit treten hier zwei dennoch unterschiedliche stilistische Positionen in einen besonderen Dialog.

Max Weinberg (1928-2018), dessen expressive malerische Figurationen so impulsiv und abgründig wie auch heiter und poetisch sind. Er war Überlebender des Holocaust. Doch zwei Seelen wohnten auch in seiner Brust. Einerseits versuchte er immer wieder in seinen künstlerischen Auseinandersetzungen eigene Gewalterfahrungen aufzuarbeiten, um einem kollektiven "Rückfall in die Barbarei" zuvorzukommen. Andererseits aber steckte in Max Weinberg auch ein frohlockender homo ludens, mit einem spielerischen Geist, den das ewig Menschliche, das ewig Weibliche unwiderstehlich anzog.
Christiana Protto (*1962), in deren Werk auch die Traumata ihrer Eltern und Großeltern verarbeitet werden. Sie knüpft dabei an deren jeweiliges kreatives Potential an. Dabei gilt ihr Interesse dem ständig ablaufenden kulturellen Wandel durch Austausch sowie den Wechselbeziehungen zwischen Öffentlichem und Privatem, von Interieur und Exterieur.



In ihrer Zeichnung, Malerei, Fotografie und auch in den Installationen sind Muster und Strukturen, Stillleben und der Garten wiederkehrende Elemente. Sie zeigt in der Ausstellung konfrontative Akzentsetzungen ihrer Tuschezeichnungen aus dem Chinesischen Tagebuch und ihrer über längere Zeiträume der letzten 10 Jahre in sukzessiver Schichtung entstandenen metaphysischen Malereien. Es sind Einzelarbeiten, die sich aber retrospektiv in Zyklen zusammenfügen, in denen Interieurs mit hinter architektonisch anmutenden Raster-Draperien verborgenen, landschaftlichen Exterieurs kommunizieren.


Text von Brigitta Amalia Gonser
Publ. Gegenseitig Gast – Christiana Protto mit Max Weinberg
Hg. Eulengasse
Frankfurt am Main 2019

Christiana Protto